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Channel: Wortvogel - 100 % Torsten Dewi » FF Nights 2014
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Blindflug des Bösen: Fantasy Filmfest Nights 2014 (3)

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snowpiercer_poster2Ich hatte in den letzten Wochen nicht einmal Zeit, mich mit der augenscheinlich problematischen Verleihgeschichte von „Snowpiercer“ zu beschäftigen, einer koreanisch-amerikanischen Adaption eines französischen Endzeitcomics, die für den US-Release auf Geheiß von Harvey Weinstein um 20 Minuten erleichtert werden sollte. Nach einem Geek.Aufschrei wurde der US-Edit ad acta gelegt und „Snowpiercer“ kommt wohl ungeschnitten in die deutschen und amerikanischen Kinos. Ob sich das Fandom damit einen Gefallen getan hat, wage ich allerdings zu bezweifeln. Ich selbst hatte bei dem über zwei Stunden langen Eiszeit-Eisenbahn-Epos mehrfach das Gefühl, man hätte in der Edit-Suite etwas mehr Disziplin walten lassen dürfen.

Die Story ist schnell erzählt: Die ganze Welt ist (menschengemacht) durch eine neue Eiszeit unbewohnbar geworden, der gigantische Zug „Snowpiercer“ fährt mit den letzten Überlebenden seine ewige Route über den Globus. Die Reichen an der Zugspitze lassen es sich gut gehen, während die Armen am Zugende darben. Revolution liegt in der Luft.

Das klingt zumindest ungewöhnlich, erinnert an die sozialkritische SF der 70er wie „Logan’s Run“ und „Soylent Green“, und ist mit Chris, Evans, John Hurt, Jamie Bell, Ed Harris und Tilda Swinton relativ knackig besetzt.

Leider kann das Skript dem Hype nicht die Steigbügel halten, wie so oft. Am Anfang wird trotz der üppigen Laufzeit viel zu wenig erklärt. Nicht mal die grundlegenden Daten zum Zug werden uns gegönnt. Was genau passiert ist, wieso ausgerechnet der „Snowpiercer“ noch läuft, wie es zu der fahrenden Arche kam, um wie viele Menschen es eigentlich geht – das muss sich jeder selbst zusammenreimen.

Was am Anfang fehlt, zieht sich in der Mitte. Viele Dialoge sind blass und redundant, viele Attacken von Wagon zu Wagon zwar vollgepackt mit Action, aber ohne neue Erkenntnisse. Bis zum Showdown kommt der Film inhaltlich nicht voran, Drama wird nur durch das mechanische Meucheln der bekannteren Darsteller erzeugt. Einzig Tilda Swinton hat erkannt, in was für einem absurden Stück sie gelandet ist und lässt als Mischung aus Maggie Thatcher und Helga Feddersen ordentlich die Sau raus.

Abgesehen von ein paar CGI-Landschaften, die an den Fenstern vorbeiziehen, bekommen wir auch nichts von der Eiswelt zu sehen. 99,9 Prozent des Films spielen in den Wagons, ein besonders breites Panorama wird nicht gebaut. Dafür, dass hier „große“ SF dargeboten werden soll, ist „Snowpiercer“ enttäuschend hausbacken – mit ein paar CGI-Shots weniger und Antonio Sabato jr. statt Chris Evans wäre der Film problemlos auch für den Syfy-Channel zu produzieren gewesen.

Damit will ich nicht sagen, dass „Snowpiercer“ schlecht ist. Es gibt immer wieder mal schöne Aufnahmen, sehenswerte Dekoration, einfallsreiche Detail (die Armamputation z.B. hat mir gefallen). Er ist nur nicht der intelligente SF-Kracher, der nach der Vorab-Publicity erwartet wurde. Er ist sehenswert, aber nicht bemerkenswert. Interessant, aber nicht wirklich gut. Mal was Anderes, aber nicht was Besseres. Am ehesten gehört er in meinen Augen in die Kiste mit halbgaren internationalen SF-Großprojekten wie „Aeon Flux“ und „Solar Quest“.

Über das Ende diskutieren wir, wenn mehr Leser den Film gesehen haben.

Vor den nächsten Film haben die Götter den massiven Hunger gesetzt – und nur 12 Minuten, um ihn zu befriedigen. Von Olaf verabschieden, ab ins Auto, auf zu McDonalds (1 Kilometer Luftlinie). Durchfahrtstraße wegen Bauarbeiten gesperrt, Mist, massiver Verkehr auf dem Ring, kein Parkplatz am Rotkreuzplatz. Illegal anhalten, raus, rein, Westernburger und Mozzarella-Sticks (es ist Samstag!), alles in eine Tüte, zum Vorspann wieder ins Kino, eine halbwegs freie Sitzreihe suchen, um mit der Raschelei nicht zu stören. Ich sehe Peter Osteried, aber ich tue es ihm nicht an, neben ihm ein komplettes Menü zu futtern. Anregung an die Festival-Veranstalter: Wenigstens EINMAL am Tag sollte zwischen den Filmen eine halbe Stunde zur Verpflegung bleiben.

enemy_posterVom Remmidemmi des „Snowpiercer“ zum genauen Gegenteil – „Enemy“ ist ein kleiner Low Budget-Streifen, je nach Definition ein 3- oder 4-Personen-Stück direkt aus der kanadischen „Twilight Zone“. Professor Adam Bell stellt fest, dass er mit dem mäßig erfolgreichen Schauspieler Daniel Claire einen exakten Doppelgänger hat. Da trifft es sich gut, dass beide mit ihrem Leben nicht wirklich zufrieden sind und attraktive Frauen haben, die sicher auch nichts gegen ein wenig Abwechslung hätten …

„Enemy“ ist so freudlos wie „Rigor Mortis“ und so hässlich wie „In Fear“ – selten hat Kanada so vergilbt und in den 70ern vergessen ausgesehen. Ein monotoner Streicher-Soundtrack lässt die Figuren wie durch Molasse waten. Menschen begegnen einander, aber statt Dialogen herrscht Sprachlosigkeit auf breiter Front, bleierne Stille. Das bisschen Spannung, das der Film aus der Prämisse zieht, wird wie Kaugummi gedehnt, bis ein völliger WTF-Shot das abrupte Ende einläutet.

Zwar hält „Enemy“ durchaus das Interesse der etwas anspruchsvolleren Zuschauer (gerade nach dem eher auf Remmidemmi versessenen „Snowpiercer“), aber er braucht mit 105 Minuten viel zu lange für eine viel zu magere Geschichte, die so ähnlich von Harlan Ellison in „Shatterday“ deutlich besser und knapper erzählt wurde – mit einem unbekannten Nachwuchsschauspieler namens Bruce Willis:

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Jake Gyllenhaal dürfte für zugesagt haben, weil er mit dem Regisseur vorher „Prisoners“ gedreht hat. Weder inhaltlich noch formell sollte ihn „Enemy“ sonderlich gefordert haben. Vielleicht war es die Aussicht, Melanie Laurent mal ausgiebig an die sekundären Geschlechtsmerkmale gehen zu dürfen. It’s a long way from „Brokeback Mountain“…

Fazit: Ein mäandernder, für den Gimmick zu ausgewalzter „kleiner“ Mysteryfilm, der die Geduld der Zuschauer leider nicht mit einer befriedigenden Auflösung belohnt.

Finale. Ich bin selber auch ziemlich am Ende. Aber ich habe neun Filme geschafft, da schaffe ich auch zehn. No retreat, no surrender. Die Tatsache, dass das Festival mit dem neusten Eli Roth-Film endet, ist da fast schon eine zynische Überraschung.

inferno-banner2Es ist bekannt, dass ich mit Eli Roths Welt- und Menschensicht nicht kann, dass ich seine Filme für trendigen Unfug halte, für kalorienfreies Horror-Fastfood. Und tatsächlich passt sich „The Green Inferno“ prima in seine Filmographie ein: Erneut wird die erste Hälfte des Films an ein elend langes und unnötiges Setup lauter schöner Menschen verschenkt, die es ins Ausland treibt, erneut wartet in der Fremde das Grauen – und natürlich geht es dann ab wie Luzie, wenn ein Charakter nach dem anderen mit diebischer Freude und massivem Splatter-Einsatz abgemurkst wird.

So war es bei „Hostel“, so war bei „Aftershock“, so ist es hier. An der Eli Roth-Formel kann man (wie ich schon mal erwähnt habe) eigentlich jedes Genre aufhängen. Diesmal ist es halt der italienische Kannibalen-Film der 70er und frühen 80er Jahre. Schöne, aber unerträglich von sich selbst besoffene Amerikaner landen im schwülen Fiebertraum von Deodato und Bianchi, werden von Eingeborenen, denen ihre hehren Absichten schnurz sind, nach und nach aufgerieben.

Das sieht alles sehr schön aus, ist nach der wie üblich unzulässig gestreckten Einführung auch ziemlich dynamisch inszeniert, angereichert mit einer Sackladung hausgemachtem Schmodder (danke, Berger und Nicotero!). Zynisch lacht das Publikum, wenn die hypochondernde Blondine im Käfig Dünnschiss bekommt oder wenn ein Doofkopp in einen Propeller läuft. Big Fun.

Vielleicht bin ich einfach das falsche Publikum für so etwas. Vielleicht nervt es mich, dass Eli Roth eigentlich immer das gleiche Skript verfilmt und nur den Aufhänger (Erdbeben, Kannibalen) austauscht. Es kann nicht mehr lange dauern, bis Aliens dran sind.

Das beste, was man über „The Green Inferno“ sagen kann: er hält wach, auch nach neun Filmen in zwei Tagen. Das ist durchaus eine Empfehlung.

Und damit ist/war das Festival zu Ende. Eine breitere Streuung von Genres und Ansprüchen ist wohl kaum vorstellbar. Nicht immer mit den wünschenswerten Ergebnissen, aber es kann halt nicht jeder Film ein Treffer sein. Ich fand es – auch und wegen der Rohrkrepierer – mal wieder extrem spannend und bin ausreichend „vorgewärmt“ für das „große“ Fantasy Filmfest. Diesmal (natürlich) wieder in Berlin.

Kurzes Gesamtfazit: „Witching & Bitching“ als bester Film, „Snowpiercer“ und „The Green Inferno“ als Crowd Pleaser mit begrenzter Haltbarkeit, „Wolf Creek 2“ und „Dead Snow 2“ für die Allesgucker unter den Nerds. Peace out.


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